„Bist du, Teufel, hier?“
Der Kanzelstreit in der Grundhofer Kirche
Pastor Ordorff nahm sich immer wieder Rechte heraus, die er anderen aber nicht gewähren wollte. So kam es im Laufe der Zeit der gemeinsamen Seelsorge zwischen ihm und seinem Diakon Jordt immer häufiger zu teils offenen, teils versteckten, heftigen Auseinandersetzungen. In der verstörten Gemeinde bildeten sich bald gegensätzliche Lager, hie diejenigen, die dem orthodoxen Ordorff, da diejenigen, die dem gemäßigten Diakon, und dort diejenigen, die dem pietistischen Lehrer Asmus Schau anhingen
DER STREIT VON DER KANZEL
Absoluter Höhepunkt im Kanzelstreit war jener Sonntag Reminiszere 1754, wo es offen zum Eklat kam. Pastor Ordorff verstieg sich während seiner Predigt in wüste Diffamierungen und Beleidigungen gegenüber dem Diakon Jordt. Grund war ein vorausgegangener Streit, den der Diakon mit dem Lehrer Asmus Schau hatte.
In der Schule gehörten Unterweisungen zur biblischen Geschichte, der Katechismusunterricht und das Singen geistlicher Lieder zum normalen Unterricht, aber Asmus Schau übertrieb auch hier. Mit Kindergruppen und mit einzelnen Kindern vollzog er „separatistische“ Gebetsübungen, was bei den Eltern der Kinder zuerst Unwillen, später sogar Hass gegen den Lehrer entstehen ließ. Diakon Jordt wurde von Eltern aufgefordert, dem Lehrer diese Art des Unterrichts zu untersagen, ja, die Eltern wollten gar die Kündigung des Lehrers, die am 1. Feb. 1754 ausgesprochen wurde.
KINDERTRÄNEN IM PASTORAT
Bei Pastor Ordorff erschien daraufhin eine Abordnung von Schulkindern unter Führung von zwei Erwachsenen, die „flehentlich“ um die Rücknahme der Kündigung „ihres geliebten Lehrers“ baten. Bislang hatte Pastor Ordorff dem Treiben tatenlos zugesehen, aber er konnte „bei seinem Naturell bei dem Streit innerhalb seiner Gemeinde (nicht) unbeteiligt bleiben … . Wenn er bisher auch nicht offensichtlich handelnd eingegriffen hatte, so hatte er doch schon längst auf der Seite des Schullehrers Partei genommen, allein schon deswegen, weil sich beide in der gemeinsamen Gegnerschaft gegen den Diakonus Jordt zusammenfinden mussten.“ Nun konnte Ordorff in den Streit eingreifen und sah es als Schulinspektor als seine Pflicht an, den Diakon öffentlich von der Kanzel zurechtzuweisen
„BIST DU, TEUFEL HIER?“
Diakon Jordt antwortete in einer Fastenpredigt am Mittwoch darauf und rechtfertigte sich gegenüber der Gemeinde. Pastor Ordorff konnte nicht anders, er musste am folgenden Sonntag auf die Jordtsche Rechtfertigung antworten, in Streitsachen konnte er dem Gegner nicht das letzte Wort überlassen. So kam es zu jener ungezügelten, ausfallenden Predigt des Sonntags Reminiszere, die in dem Ausspruch gipfelte: » „Bist du Teufel hier?“, er eine Wendung nach dem Chor hin gemacht hätte, wo Jordt saß, und noch dazu die Hand über die Augen gehalten hätte. « und sich in weiteren auf den Teufel bezogenen Kraftausdrücken verlor.
DIE ANTWORT DES KÖNIGS
In der Gemeinde entstand ungeheure Aufregung und Tumult, und die Getreuen der jeweiligen Gegner sammelten sich zur Unterstützung. Diakon Jordt fuhr noch am Sonntagnachmittag zum Propst und zum Amtmann nach Flensburg, um sich über diesen Ausfall Ordorffs zu beschweren. Währenddessen bereiteten die Achtmänner und die Verwandten Jordts eine Beschwerdeschrift an das Konsistorium vor, wobei die Beschwerdeführer durchblicken ließen, dass eine Weitergabe an die Königliche Kanzlei erwünscht wäre. Da sich die Streitenden dem Urteil des dänischen Königs als schleswig-holsteinischen Landesherrn unterwerfen wollten, ging die ganze Aktensammlung am 30. Mai 1754 nach Kopenhagen ab. Am 19. Juli 1754 wurde eine „Königliche Resolution der in der Gemeinde Grundhof, durch das Betragen des Schulmeisters Schau und des Pastors Ordorff entstandenen Irrungen“ gefasst:
· Dem Lehrer Asmus Schau wurden zwar gute Absichten unterstellt, aber Schau war unter Ordorffs „widrigen Gedanken“ zu weit gegangen.
· Für Pastor Ordorff war die Resolution ganz und gar nicht befriedigend. Er wurde vom König und besonders eindringlich vom Konsistorium ermahnt, sich zu mäßigen, sonst » ihn zum Nachteil seiner selbst und seiner Familie außer Brot zu setzen.[1] « Und er musste sich weiter vorhalten lassen, » (dass er) sich von seinen Leidenschaften beherrschen läßt und sowohl in seinen Predigten seine schandhafte Hitze und in seinem sonstigen Betragen Zanksucht und Rachgierde zeigt, … und ihm unter Androhung von Strafe auferlegt werden soll, künftighin in seinen Predigten alle anzüglichen und heftigen Ausdrücke vermeiden und sich in Ansehung des Beichtstuhls nach der Kirchenordnung richten, auch in allen übrigen Handlungen der Sanftmut und Friedfertigkeit sich befleißigen soll. Friedrich. «[2]
· Dem Diakon Jordt wurde das Recht zugesprochen, Schau zu entlassen, wenn er (Jordt) die Schule nicht länger Schau anvertrauen wolle.
Damit endete der Kanzelstreit. Der Schullehrer Schau zog zum Herbst mit seiner Familie nach Glückstadt, wirkte dort als Lehrer und im Nebenamt als Zuchthausküster. Diakon Jordt folgte dem Ruf einer Pfarrstelle in Drelsdorf. Und Ordorff selbst? Er schien tatsächlich geläutert zu sein, denn es wurde um ihn ruhiger.
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